Politik & Wirtschaft in Venezuela

Politik & Wirtschaft in Venezuela

Venezuela befindet sich seit 2014 in einer politischen, wirtschaftlichen und humanitären Krise, die sich seit Anfang 2019 im Kampf um die Vorherrschaft im Land zwischen dem linksnationalistischen Staatspräsident Nicolás Maduro und dem selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, zwischen Regierung und Opposition, zuspitzt. Beide behaupten, Teile des Militärs hinter sich versammelt zu haben.

Zusätzlich wird das Land auch als Schauplatz zu Stellvertreterkriegen genutzt. Kuba, Türkei und Russland vertreten ihre Interessen auf der einen, USA, die Mitglieder der EU sowie 50 weitere Staaten, die Guaidó als legitimen Übergangsstaatschef anerkennen, auf der anderen Seite.

Venezuela seit der Krise 2014 (Stand Oktober 2019)

Seit 2014 regiert Nicolás Maduro Venezuela als Nachfolger des am 5. März 2013 verstorbenen Staatspräsidenten Hugo Chávez. Am 10. Januar wurde seine Macht durch Wiederwahl erneut bestätigt. Das ehemalige Ölreich hat seit dem rapiden Ölpreissturz im Jahr 2014 einen wirtschaftlichen Abwärtstrend erlebt, der das zahlungsunfährige Land fast aus seinen Angeln hebt. Dennoch ist der gefürchtete Bürgerkrieg bislang ausgeblieben.

In Venezuela klafft eine riesige Versorgungslücke – es fehlt an Milch, Mehl, einfachen Lebensmitteln, Toilettenpapier, Seite und vor allem an Medikamenten und medizinischer Versorgung. Die Inflation ist auf über 720 % gestiegen. Ebenso die Mordrate. Drei Millionen Menschen sind bereits geflüchtet, 1,9 Mio. davon ins benachbarte Kolumbien geflüchtet, arbeiten dort als Prostituierte oder Bonbonverkäufer – oft mit der ganzen Familie.

Wer kann, fliegt heute nach Deutschland und beantragt dort Asyl. Landesweit toben Proteste gegen Staatspräsident Nicolás Madúro. Zuletzt beansspruchte Juan Guaido die Präsidentschaftsmacht für sich und löste damit einen innenpolitischen Konflikt des Militärs aus. Zuletzt fehlte sogar das Papier, um Geldscheine für die Hyperinflation zu drucken. Bei Protesten gibt es Tote.

Venezuelas Wirtschaft hing schon immer am Ölexport. Damit ist, nach Berechnungen des venezolanischen Wirtschaftsgelehrten José Guerra, in den 15 Jahren vor der Krise eine Summe von etwa einer Billion Dollar in den Staatshaushalt des Landes gespült worden. Dennoch sind die Auslandsschulden auf 60 Mrd. US-Dollar (Stand Oktober 2019) gestiegen. Venezuela kann mit seinen maroden Raffinerieren kein Öl mehr in wertvolles Benzin verwandeln, daher muss es imporiert werden – für schätzungsweise 700 Mio. Dollar jährlich aus den USA.

Diese Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit vielen weiteren Importen aus dem Ausland: Denn Venezuelas Wirtschaft produziert fast nichts selbst – alles muss importiert werden. Dies war kein Problem, solange das Öl, das 95 Prozent der venezolanischen Exporteinnahmen ausmachte, floss. Kein Export – stattdessen Berg an Auslandsschulden – kein Import lebenswichtiger Güter mehr.

Um die Staatsschulden zu begleichen und einen Staatsbankrott abzuwenden, wird stets frisches Geld gedruckt, mit dem Venezolaner aber immer weniger kaufen können, da die Preise im Supermarkt explodiert sind. Die Auslagen dagegen so leer, dass Warennachschub vom Militär bewacht wird.

Das Tilgen der Auslandsschulden hat allerdings für Staatspräsident Maduro oberste Priorität, auch wenn Protest-Transparente immer öfter „No hay paz con hambre“ (Mit Hunger gibt es keinen Frieden) tragen und das Geld ins Wohlergehen der Bevölkerung besser investiert wäre.

Die exzessive Schuldenbegleichung hat einen Sinn. Dahinter stehen Interessen venezolanischer Anleihegläubiger: Wohlhabende Mitglieder der Regierungsschicht, der venezolanischen Oberschicht sowie Kreditgeber aus Russland und China, die das sozialistische Land halbwegs am Laufen halten, auch wenn es bildlich gesprochen aus dem letzten Loch pfeift. Sie verlieren ihr, teils im Ausland geparktes Geld bei einer Zahlungsunfähigkeit Venezuelas. Solange wird Präsident Madura weiter im Amt bleiben und von den Mächtigen gefördert.

Der Ölpreisverfall alleine ist allerdings nicht Wurzel allen Übels. Auch hat die Krise mit dem Machtantritt Madúros erst ihren Lauf genommen, ihre Ursprünge aber schon unter Hugo Chávez genommen. Als Spiegelbild der landesweit fehlenden Investitionen, fehlender Aufbau eines Industriezweiges, Korruption und Misswirtschaft stehen die verrottenden Bohrtürme des staatlichen Ölkonzerns PDVSA, die Monat für Monat weniger fördern.

Auch der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, begrifflich geprägt von Maduros Vorgänger Hugo Chavez, ist ein Puzzleteil im gegenwärtigen Elend der Venezolaner. Er führte die Preisbindung für Alltagsdinge ein sowie die feste Dollar-Bindung des Bolivar fuerte, der venezolanischen Währung. Dass kein Unternehmen unter diesen „marktfeindlichen Bedingungen“ investieren wollte, war kein Problem, solange Öleinnahmen die Armut der unteren Schichten finanziell kompensieren konnten.